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Channel: Christine Eschlbeck
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Zeit? Vergeht. Schnell? Manchmal.

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Auch wenn es in Walter Mischels Marshmallow Experiment um etwas ganz anderes ging, eines beweist es anschaulich: Wie grässlich lang sich die Zeit zieht, wenn nichts passiert.

Zeit vergeht unterschiedlich
In meinen Trainings gibt es immer einen Zeitnehmer. Warum? Weil nicht nur jeder Redner Zeit anders erlebt, sondern auch weil Zeit auf der Bühne anders vergeht als vor der Bühne. Sicher: Eine Viertelstunde bleibt eine Viertelstunde. Aber sie kann eine gefühlte Stunde werden. Ein guter Präsentator muss ein Gefühl dafür entwickeln, wie Zeit wahrgenommen wird und wie er diese Wahrnehmung beeinflussen kann.

Wie man aus 10 Minuten 60 Minuten macht
Das Publikum wartet auf die ersten Worte des Redners. Der Redner setzt an und redet schnell. Er gewinnt an Tempo. Die Zuhörer werden langsam unruhig. Der Redner bemerkt das und interpretiert es als Langeweile. Er redet noch schneller. Während der Redner rasant Fahrt aufnimmt, beginnt die Zeit für das Publikum, das nicht mehr mitkommt, in Langeweile dahinzukriechen.

Was ist passiert?
Viele Redner rasen ohne Punkt und Komma durch ihren Vortrag und hängen unwissentlich ihr Publikum ab. Sie machen das nicht aus purer Gemeinheit, sondern aus zwei Gründen: Sie sind vom Lampenfieber gejagt oder vergessen, dass sie mehr wissen als ihr Publikum.

Vom Lampenfieber gejagt
Ein Redner muss trotz Lampenfieber auf die Bühne. Sein Chef hat ihn dazu verdonnert. Flüchten fällt also aus und er gerät unter Druck. Unbewusst macht er die Gleichung auf „Je schneller ich es hinter mich bringe, desto schneller bin ich hier weg“ … und desto schneller rast er durch seine Inhalte.
Was man gegen Lampenfieber tun kann:

  • Durchatmen! Legen Sie eine Hand auf den Bauch, atmen Sie tief in den Bauch ein. Geht der Bauch beim Einatmen eher nach innen, atmen Sie in den Schulterbereich? Das ist falsch. Hebt sich die Bauchdecke in Richtung Hand, wenn Sie tief einatmen? So ist es richtig. Konzentrieren Sie sich darauf, nach unten, in den Bauchbereich zu atmen. Ein, zwei bewusste Atemzüge genügen.
  • Denken Sie dran, dass Sie Ihr schärfster Kritiker sind; das Publikum ist uns meist wohlgesonnener als wir selbst.

Schnell reden bringt das Ende zwar vielleicht fünf Minuten schneller in Sicht, das Publikum aber hat man so bereits in den ersten fünf Minuten abgehängt.

Mehr wissen als das Publikum

Als Redner setzt man sich intensiv mit seinem Thema auseinander, spricht den Vortrag das ein ums andere Mal und kann schlussendlich die eigenen Worte nicht mehr hören. So steht man dann auf der Bühne und spricht schneller und schneller, um das Publikum bloß nicht zu langweilen. Vergessen wird dabei, dass das Publikum bei der Vorbereitung nicht anwesend war.

Was Redner tun können, die mehr wissen als ihr Publikum:

  • Machen Sie sich bewusst, dass das Publikum den Vortrag zum ersten Mal hört.
  • Setzen Sie bewusst Sprechpausen, damit das Publikum das Gesagte verarbeiten kann, sprich: Die Information mit eigenen Erfahrungen abgleichen kann.

Bringen Sie die Zeit auf der Bühne mit der Zeit vor der Bühne in Einklang: Wenn Sie unsicher sind, ob das Tempo stimmt, nehmen Sie an einer inhaltlich passenden Stelle ein oder zwei Atemzüge und sehen Sie das Publikum an. Eine kurze Stille zieht die Aufmerksamkeit des Publikums an und Redner und Publikum in den selben „Zeit-Raum“.

Es wirkt
Eine meiner ehemaligen Teilnehmerinnen schrieb mir Ende des Jahres, dass sie einen Preis für einen historischen Krimi gewonnen hat und für ihre Lesung bestens gewappnet war: „Die für mich wertvollsten Ratschläge von Ihnen waren: Zeit lassen. Und bedenken, dass die Zeit für einen selbst schneller vergeht als für die Zuhörer. Ein Hoch auf die Video-Analyse!“

Wie sind Ihre Erfahrungen? Schreiben Sie mir gerne per Email oder hier im Kommentarfeld. Ich freue mich von Ihnen zu hören!

Herzlichst
Ihre Christine Riedelsberger


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